Großer Andrang beim LBV-Vortrag über Naturzerstörung im Städtedreieck
In seinem Vortrag ging Christian Stierstorfer zunächst auf viele rechtliche Aspekte ein. Von der Bayerischen Verfassung, dem Naturschutzgesetz bis hin zum Landesentwicklungsplan scheint eigentlich alles in bester Ordnung: der Schutz von Natur und Landschaft ist gesetzlich bestens gewährleistet. Auch auf hoher politischer Ebene scheint sich eine Trendwende anzubahnen, z. B. in Form vieler Initiativen zum Flächensparen. Die Realität vor Ort sieht jedoch anders aus: je konkreter der angemahnte Schutz unserer Lebensgrundlagen wird, umso mehr Widerstand gibt es. Ein Beispiel ist der Regionalplan Oberpfalz, in dem das vom Landesentwicklungsplan vorgeschriebene Ziel umgesetzt werden soll, dass in Zukunft ökologischen Belangen Vorrang einzuräumen ist.
Aber in einer gemeinsamen Stellungnahme des Städtedreiecks im Herbst 2019 heißt es dazu: "dieses Ziel ist ersatzlos zu streichen"
Anhand konkreter Beispiele zeigte Christian Stierstorfer, dass es mit Flächenfraß und Naturzerstörung im Städtedreieck ungebremst weitergeht. Z. B. im derzeit im Bau befindlichen neuen Gewerbegebiet an der Umgehungsstraße Burglengenfeld. Das soll der Erweiterung eines Baumarktes dienen. Die Nachfolgenutzung des alten Gebäudes ist aber ungeklärt. Jedenfalls sind für die Erweiterungsfläche wertvolle, amtlich kartierte Biotope zerstört worden. Ein ähnliches Schicksal droht einem Biotop zwischen Maxhütte und Teublitz, wo ein Gewerbegebiet mit Recyclinghof entstehen soll. Ein weiteres Großprojekt droht im Umfeld von Loisnitz: die Stromtrasse Süd-Ost-Link wird dort große Eingriffe mit sich bringen. "Wir stellen fest, dass es sehr viele renommierte Fachleute gibt, die die Notwendigkeit des Projektes grundsätzlich in Frage stellen, weshalb wir auch als Verband das Vorhaben ablehnen" betonte Christian Stierstorfer.
Zwei weitere Großprojekte mit katastrophalen Folgen sind derzeit in Planung: Die Umgehungsstraße Teublitz mitten durch die wunderbare Weiherlandschaft im Osten der Stadt, und das Gewerbegebiet an der Autobahnausfahrt.
Letztes liegt ohne jede Anbindung an ein Gewerbegebiet oder eine Ortschaft mitten in einem großen, geschlossenen Waldgebiet. Wie auch die Regierung der Oberpfalz feststellt, verstößt die Planung damit gegen das Anbindegebot im Landesentwicklungsplan. Der betroffene Wald (bis zu 30 Hektar!) ist mit Feuchtflächen durchzogen und bringt viel Jungwuchs mit Buchen und Eichen hervor. Es entsteht also gerade der Wald, den wir in Zukunft brauchen. Schlimme Folgen hätte auch die geplante Umgehungsstraße, für die gerade ein Raumordnungsverfahren vorbereitet wird. Das Teublitzer Weihergebiet ist in weitem Umkreis eine der wertvollsten und vielfältigsten Natur- und Kulturlandschaften. Auch der Wert als Erholungsgebiet ginge verloren. Christian Stierstorfer kritisierte, dass im Vorfeld des Raumordnungsverfahrens eine erste Chance vertan wurde, im Rahmen eines transparenten Verfahrens eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit zu ermöglichen, wie das z. B. das Umweltbundesamt anmahnt. Offenbar wolle man sich auf die gesetzlich vorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung beschränken.
Auf die Problematik der Ausgleichsflächen ging Christian Stierstorfer speziell ein: es werde immer betont, alles werde ausgeglichen. Dabei werde ausgeblendet, dass in der Praxis die Ausgleichsflächen oft unzureichend umgesetzt werden, wie das z. B. auch der Umweltausschuss im Bayerischen Landtag feststellte. Viel wichtiger sei aber, dass viele Ökosysteme schlicht nicht ausgleichbar seien, z. B. alte Wälder oder Feuchtgebiete. Der juristisch vorgeschriebene Ausgleich ist oft kein fachlich funktionierender Ausgleich. Christian Stierstorfer zitierte diesbezüglich Prof. Dr. Hubert Weiger: "Am Ende ist nichts mehr da, aber alles ausgeglichen". Ebenso ignoriert werde auch das in der Bayerischen Kompensationsverordnung festgeschriebene Vermeidungsgebot.
In eindrucksvollen Bildern wurde die Vielfalt und Schönheit des Teublitzer Weihergebietes gezeigt. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass es dabei keineswegs nur emotionale, unrationale Empfindungen einiger Naturliebhaber (so oft die Vorwürfe) gehe, sondern um viele amtlich kartierte Biotope und gesetzlich geschützte Arten und Lebensräume. Auch die Landschaft ist gesetzliches Schutzgut! Bei vielen Arten und ihren Lebensräumen ist der Abwärtstrend derart massiv, dass kein Raum mehr für Kompromisse bleibt. Der oftmals angemahnte "Kompromiss zwischen Naturschutz und Wirtschaft" würde letztlich das endgültige Verschwinden vieler Arten bedeuten. Beim Schutz letzter Reste unserer Kultur- und Naturlandschaft ist es notwendig und gerechtfertigt, radikal zu sein. Mit dieser Radikalität stehen Naturschützer keineswegs alleine. Angesichts der immer dramatischeren Situation (Artensterben, Klimakrise) ist eine radikale Wende die einzige Lösung, wie dies unzählige Wissenschaftler oder auch Papst Franziskus immer wieder betonen.
Am Schluss wies Christian Stierstorfer auf die oft vernachlässigte, aber immens wichtige kulturelle Bedeutung der Natur und der Artenvielfalt hin. "Schauen sie sich Kinderbücher an, Sie werden kaum eines finden, in dem Pflanzen und Tier keine Rolle spielen". Es geht nicht nur um die materiellen Folgen und die verlorenen Zukunftsoptionen. Mit der fortschreitenden Vernichtung der Natur entwurzeln wir uns auch kulturell.